Temu - In den Augen der Deutschen
Kürzlich gab Temu, die Überseeversion des chinesischen E-Commerce-Unternehmens Pinduoduo, bekannt, dass es seine Türen für Verkäufer in den USA und Europa öffnen wird. In Deutschland hat diese Nachricht der Online-Shopping-Plattform erneut große Aufmerksamkeit beschert.
Temu expandiert schnell in Deutschland, aber die deutsche Industrie- und Handelskammer, die Verbraucherzentrale und andere haben vor dem Einkaufen auf der Plattform gewarnt.
Pinduoduo, der selbsternannte Pionier des neuen E-Commerce, expandiert ab 2022 in Überseemärkte. Seine Übersee-Version „Temu“ (Temu) im September 2022, die erste Station auf dem US-Markt, im April 2023 im Vereinigten Königreich, Deutschland, den Niederlanden, Italien, Frankreich, Spanien online. Es gibt mehr als 100.000 chinesische Händler, die Waren auf Temu verkaufen. Pinduoduo hat seine Überseeversion Temu genannt, was „Team Up, Price Down“ bedeutet, d. h. je mehr Leute kaufen, desto niedriger der Preis.
Schnelle Expansion im Ausland
Laut den App-Downloads im App Store von Apple im Jahr 2023 hat Temu bereits TikTok, Instagram, Google, YouTube und andere Apps überholt und sich im vergangenen Jahr an die Spitze der Liste der kostenlosen App-Downloads gesetzt.
Auch in Deutschland erobert Temu schnell den Markt der etablierten E-Commerce-Unternehmen. Nach Angaben des Handelsblatts liegt Temu in Deutschland bereits wenige Monate nach dem Start bei den Besucherzahlen an vierter Stelle hinter Amazon, Ebay und Otto. Temu ist auch die am häufigsten heruntergeladene App in Deutschland im vergangenen Jahr. Ganze 26 Prozent der Deutschen haben in den letzten sechs Monaten über Temu eingekauft.
Rucksäcke für 1,79 Euro, Hemden, Halsketten und Schuhe für weniger als 10 Euro, kostenlose Elektrogeräte. Die Artikel auf der Website und in der App von Temu sind in den Augen vieler deutscher Verbraucher unglaublich günstig. Zudem ist das Angebot auf Temu größer als auf anderen E-Commerce-Plattformen wie Amazon oder Otto. Zeitlich begrenzte Ausverkäufe, Rabatte, Werbegeschenke und Online-Werbung animieren die Verbraucher zusätzlich zu Impulskäufen. Schätzungen zufolge werden in Deutschland täglich rund 200.000 Temu-Pakete ausgeliefert.
Das Temu-Phänomen hat die deutsche Wirtschaft und die Verbraucherschutzzentralen alarmiert.
DIHK: "Wachsendes Problem für die deutsche Wirtschaft
Billigplattformen aus China wie Temu werden „zu einem wachsenden Problem für die deutsche Wirtschaft“, sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, der Wirtschaftswoche.
Der DIHK wies darauf hin, dass einerseits heimische Hersteller und Händler mit immer mehr deutschen und europäischen Vorschriften wie dem Lieferkettengesetz konfrontiert seien, während andererseits Billiganbieter aus Ländern außerhalb der EU nur schwer belangt werden könnten oder gleichwertigen Beschränkungen unterlägen, was zu „Wettbewerbsverzerrungen“ führe.
Nach deutschem Recht sind Waren im Wert von weniger als 150 Euro, die aus China versandt werden, zollfrei. Treier wies darauf hin, dass „bei täglich bis zu 900.000 Postsendungen aus Drittländern, von denen 80 Prozent aus Asien stammen, eine lückenlose Kontrolle in der Praxis kaum möglich ist“.
Treier forderte auch eine weitere Reform des Weltpostvereins. Aufgrund des Status Chinas als Entwicklungsland erhalten chinesische Händler im Weltpostverein ermäßigte Portotarife. Dies ist einer der Gründe, warum chinesische Waren, die nach Europa und in die Vereinigten Staaten verschickt werden, immer noch sehr billig sind.
Verbraucherschutzbedenken
Auch die deutsche Verbraucherschutzzentrale hat eine Warnung ausgesprochen. Das Zentrum stellte fest, dass „niedrige Preise zu einer Verschlechterung der Produktqualität und -sicherheit führen können“. Viele Kunden beschweren sich online über die schlechte Qualität der Waren, über nicht erhaltene Waren oder über Schwierigkeiten, den Kundendienst zu erreichen. Viele Produkte entsprechen nicht den deutschen technischen Sicherheitsstandards. Fraglich ist auch, ob chinesische Hersteller soziale oder ökologische Standards einhalten, die an die EU-Standards heranreichen.
Umweltaspekte
Bislang wird jeder noch so kleine Artikel, den ein Kunde bei Temu bestellt, per Luftfracht aus China verschickt. Christoph Tripp, Professor für Handelslogistik an der Universität Nürnberg, kritisiert auf dem Fachportal Online Retailer News", dass soziale und ökologische Nachhaltigkeit bei diesem Geschäftsmodell in den Hintergrund treten und kritisch betrachtet werden sollten".
Rechtliche Fragen
Das Handelsblatt weist außerdem darauf hin, dass in Deutschland jeder, der Waren direkt aus China bestellt, rechtlich gesehen ein Importeur ist und somit für Schäden, die durch die Ware entstehen, haftet (nicht der Hersteller). Wer beispielsweise einen akkubetriebenen Staubsauger oder einen Elektroroller über Temu bestellt und diesen an einen Bekannten oder Freund ausleiht, kann haftbar gemacht werden, wenn das Produkt einen Brand oder andere Schäden verursacht. Produkte können auch vernichtet werden, wenn der deutsche Zoll bei einer Stichprobenkontrolle gefälschte Produkte beschlagnahmt und den Verdacht auf gewerbsmäßigen Handel hegt.
Datenschutz
Die Verbraucherzentrale warnt: „Temu macht keinen Hehl daraus, dass es ein Interesse an persönlichen Daten hat und diese kommerziell nutzt“. Die Nutzung der App erfordert den Zugriff auf Fotos, Videos, Adressbücher und sogar WiFi-Daten.
Temu versichert zwar in seinen Kundeninformationen in der App: „Die Sicherheit Ihrer persönlichen Daten ist uns wichtig.“ Das Unternehmen betont auch, dass die Daten europäischer Kunden „standardmäßig in der Infrastruktur von EWR-Cloud-Service-Providern gespeichert werden“. Das Sicherheitsanalyse-Unternehmen Joe Sandbox stufte die Temu-App jedoch als „bösartig“ ein. Das Fachportal „c't Magazin“ bezeichnete die App als „potentiellen Web-Bug“ und empfahl, zum Einkaufen nicht die App, sondern die Temu-Website zu nutzen.